Music for Social Change: Wie Jugendliche sozialen Wandel im Libanon schaffen
Eine Gruppe Jugendlicher sitzt im Halbkreis, schlägt die Hände auf die Knie und klatscht, während sie gemeinsam singen: „Ich habe das Recht zu lernen. Ich habe ein Recht darauf, in Frieden zu leben. Lass mich nicht leiden oder hungrig schlafen."
Für viele dieser Kinder ist der Libanon nicht ihre erste Heimat. Ihre Familien sind als Geflüchtete hierhergekommen, um in Sicherheit zu leben. Andere mussten aufgrund der Wirtschaftskrise im Libanon, die Schule abbrechen, um zu arbeiten und ihre Familien zu unterstützen. Wieder andere leben auf der Straße und versuchen mit Gelegenheitsjobs zu überleben.
Aber eines wissen sie alle: Es gibt einen sicheren Ort, an dem sie sich einmal in der Woche versammeln können, um über ihre Probleme zu sprechen, Unterstützung von Gleichaltrigen zu bekommen und ihren Gefühlen über Musik Ausdruck zu verleihen - bei einer Musiksession, die sich "Music for Social Change" nennt. Diese von Right To Play organisierten, aber von den Kindern selbst geleiteten Stunden, verleihen ihnen Selbstvertrauen. Sie befinden sich hier an einem sicheren Ort, an dem sie individuelle psychosoziale Unterstützung erhalten. Anschließend können sie das Gelernte zuhause in ihren Gemeinden anwenden. Sie erkennen Ungerechtigkeiten und setzen sich für Veränderung ein.
"Auch wenn wir hier Geflüchtete sind, versuchen wir immer, uns anzupassen."
Zu Beginn des Programms besaß die 15-jährige Raghad keinerlei Selbstvertrauen. Mit sechs Jahren floh sie mit ihrer Familie aus Syrien in den Libanon. Dort war sie mit Armut konfrontiert und lebte in einem Viertel Beiruts, das für Menschenhandel, Drogenmissbrauch, Prostitution und viele Straßenkindern bekannt ist. Als Flüchtling hatte sie bereits das Gefühl, nicht dazuzugehören. Zudem wurde sie ständig gehänselt, weil sie Syrerin ist und ein amputiertes Bein hat.
„Als Raghad ihr Bein verlor, war ich sehr niedergeschlagen. Aber als ich sah, wie stark sie war, gab es mir Kraft. Jetzt geht sie wieder zur Schule“, sagt Amal, Raghads Mutter.
Über das Programm lernte Raghad anderen Jugendliche kennen, die sie für ihr Anderssein schätzen und mit ihr auf die Herausforderungen eines Lebens als Geflüchtete:r aufmerksam machen wollen. Raghad fand Freunde und entdeckte ihre musikalischen Fähigkeiten. Ihr Selbstvertrauen wuchs. Jetzt erhebt sie mit ihren Freunden ihre Stimme zu Themen, die ihnen am Herzen liegen.
"Seitdem ich geboren wurde, wünschte ich mir, in einem anderen Land geboren zu sein."
Für Ahmad, 17, war es nicht leicht, im Libanon aufzuwachsen. Wie viele andere in seinem Alter hat auch Ahmad mit Gefühlen der Hoffnungslosigkeit und Depression zu kämpfen. Er lebt in einer Gegend der Stadt, in der viele Konflikte ausgetragen wurden. Schießereien und Kämpfe sorgen dort noch immer für Angst und Unruhe. Die Gegend ist auch für Rassismus gegenüber anderen Nationalitäten bekannt.
„Ich wünschte mir immer, in einem anderen Land geboren zu sein. Dort, wo sich Kinder um nichts anderes kümmern müssen, als zu lernen. Hier müssen wir uns um Wasser kümmern und arbeiten, um unsere Eltern zu unterstützen. Morgens ziehen wir uns im Dunkeln an, weil es keinen Strom und kein fließendes Wasser gibt“, sagt Ahmad.
Seit Ahmads Teilnahme am Programm "Music for Social Chage" schöpfte er Hoffnung, dass er seine Gegend zu einem friedlicheren Ort machen kann. Gemeinsam mit seinen Mitschülern hat er ein Lied geschrieben, das zur Lösung eines ihnen bekannten Problems beitragen soll: Gewalt an Schulen. Mit ihrer Musik ermutigen sie Lehrer, ihre Schüler zu respektieren und die körperliche Züchtigung einzustellen.
„Wir klären über Gewalt an Schulen auf und wollen sie beenden“, sagt Hiba, 15, eines der Mädchen aus Ahmads Gruppe.
"Wir nutzen die Musik als Instrument, um Kinder zu stärken."
Janine Chehade, Project Officer bei Right To Play, hat in den letzten zwei Jahren gesehen, was das Programm im Leben der Kinder bewirkt. Wie sie sich ihrer Rechte bewusstwerden und sich für Veränderung in ihren Gemeinden einsetzen.
„Die Jugendlichen fordern ihre Rechte ein. Sie wollen nicht hungrig einschlafen und Zugang zu Bildung. Sie haben die Themen selbst gewählt, den Text geschrieben und die Melodie komponiert“, sagt Janine.
Letzten Sommer nahmen die Kinder an einem von Strawbees veranstaltetem Musikwettbewerb teil. Kinder aus aller Welt machten mit. Auch zwei Gruppen von Jugendlichen aus dem Programm "Music for Social Change" bauten mit Bausätzen, die ihnen zur Verfügung gestellten wurden und recycelten Materialien eigene Instrumente und reichten ihre Songs "Gewalt an Schulen" und "das Recht auf Bildung" ein.
Die Jugendlichen dachten, sie hätten keine Chance. Aber sie haben gewonnen! Das Stück "Gewalt an Schulen" bekam den "Best in All Categories Award" und das Lied "Recht auf Bildung" den "Most Sustainable Award".
"Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich etwas gewonnen habe."
„Als wir erfuhren, dass wir gewonnen haben, war ich überglücklich. Alle zusammen haben wir getanzt und gelacht“, sagt Raghad.
„Als ich die Nachricht hörte, war ich so stolz und froh. Das ist das erste Mal, dass ich etwas gewonnen habe“, sagt der 15-jährige Hani.
„Wir haben etwas erreicht und waren erfolgreich. Es war großartig und schön“, sagt Hiba.