NOELLINE nimmt IHRE ZUKUNFT in die Hand

Eltern, Lehrer und Kinder versammeln sich auf einem Schulhof in Gisuru, Burundi. Kostümierte Schüler:innen versammeln sich um eine behelfsmäßige Bühne, um ein Theaterstück aufzuführen. Ein Schüler in einer zu großen Jacke schreitet mit einem Gehstock voran. Er spielt die Rolle eines Vaters, der beschlossen hat, seine Tochter von der Schule zu nehmen, damit sie bei der Hausarbeit helfen kann. Ein anderer Schüler, der den Lehrer des Mädchens spielt, rät dem Vater, es sich noch einmal zu überlegen. Die Aufführung wird mit Beifall aufgenommen. Aber der Zweck ist mehr als nur Unterhaltung. Die Schüler spielen ein Thema, das sie in der Schule gelernt haben und das sie mit der Gemeinschaft teilen wollen: den Wert der Bildung von Mädchen. Eine der Darstellerinnen, die 14-jährige Noelline, ist mit dieser Geschichte nur allzu vertraut. Sie musste selbst für ihr Recht auf Bildung kämpfen. Mit Unterstützung von Right To Play geht sie nun wieder zur Schule.

Frühe Heirat anstatt Bildung

Als im letzten Schuljahr das Schulgeld fällig war, verweigerten Noellines Eltern ihr das Geld. Noelline hatte dafür kein Verständnis, weil ihre Eltern das Schulgeld für ihre Brüder weiterbezahlt hatten. „Ich verstand nicht, warum sie nicht mehr wollten, dass ich zur Schule gehe“, sagt sie. Ihre Armut zwang Noellines Eltern diese schwere Entscheidung zu treffen. Die Familie war 2018 nach Tansania geflohen und 2021 nach Burundi zurückgekehrt. Nur 49 % der Kinder von Rückkehrern werden eingeschult. Mädchen wie Noelline sind daher äußerst anfällig für frühe Heirat und deren Folgen wie frühe Schwangerschaft, Ausbeutung und Gewalt.

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Der Schulbesuch mit ihren Freundinnen Ada und Cynthia war für Noelline ein wichtiger Teil ihres Lebens.

EINE ROLLE FÜR DEN WANDEL SPIELEN

Ada und Cynthia sind Freundinnen von Noelline. Sie setzen sich als Junior-Leaderinnen in einem von Right To Play organisierten Mädchenclub dafür ein, Mädchen wieder in die Schule zurück zu bringen. Mädchen in Mädchenclubs werden sich ihrer Recht bewusst und setzen sich für diese an ihrer Schule ein. Sie ermutigen andere Mädchen, sich für ihr Recht auf Bildung einzusetzen, sich gegen frühe Heirat zu wehren und über ihre Zukunft selbst zu bestimmen. Aber Rechte sind komplex und schwer zu vermitteln. Deshalb stellen Clubmitglieder schädliche Traditionen auf kreative, spielerische Weise infrage - wie mit Theater.
Freitags nach der Schule treffen sich Ada, Cynthia und andere Mitglieder des Mädchenclubs mit ihrem Lehrer Antoine, um ihren nächsten Sketch zu schreiben. Dabei geht es um Themen wie reproduktive Gesundheit, Entwicklung von Selbstwertgefühl und den Schulbesuch. Die Schüler:innen schlüpfen in Rollen und denken sich Texte aus, mit denen sie die Herzen der Kinder, Eltern und Gemeindemitglieder, vor denen sie auftreten, berühren. Während eines Stücks können die Zuschauer gefahrlos an neue und manchmal kontroverse Ideen herangeführt werden. Auf der Bühne entwickeln die Darsteller das Selbstvertrauen, für die Rechte einzutreten. „Vor Right To Play waren wir nicht in der Lage, uns vor vielen Menschen zu äußern“, sagt Cynthia. „Aber jetzt, können wir das."

DIE RÜCKKEHR IN DIE SCHULE

Die vom Mädchenclub aufgeführten Stücke sind Teil der Back-To-School Kampagne im Rahmen des Programms My Education, My Future. „Unsere Aufgabe ist es, Sketche aufzuführen, die Eltern davon überzeugen, ihre Kinder wieder in die Schule zu schicken“, sagt Ada. „ Wir gehen auch von Tür zu Tür, um Kinder zu besuchen, die die Schule abgebrochen haben."

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Lieder und Sketche, die mit Humor untermalt sind, sind ein wirksames Mittel, um festgefahrene Normen infrage zu stellen.

„Viele Kinder haben ihre Ausbildung abgebrochen“, fügt Ada hinzu. „Aber jetzt gehen sie weiter zu Schule.“ Und einige kommen zurück. Im Rahmen der Kampagne wurden bis 2022 insgesamt 752 Kinder neu eingeschrieben, und das Verständnis der Eltern für die Bedeutung der Bildung von Mädchen stieg von 44 % auf 100 %. Cynthia fügt hinzu: „Ich fühle mich gut, wenn jemand nach dem Theaterstück wieder zur Schule geht. Das ist eine wichtige Entwicklung für die Schüler:in, das Land und die Familie."

Nachdem Noelline die Schule abgebrochen hatte, waren ihre Tage mit Hausarbeit gefüllt. Als Cynthia und Ada kamen, um mit ihrer Freundin zu sprechen, war Noelline frustriert und einsam. „Ada und Cynthia rieten mir, wieder zur Schule zu gehen“, erklärt Noelline. „In unserem Gespräch ging es darum, dass man Ärztin, Lehrerin oder Schuldirektorin werden kann, wenn man die Schule besucht. Ich möchte auch diese Möglichkeiten haben. Ich wusste, dass ich zur Schule gehen muss, um eine bessere Zukunft zu haben.“ Noelline beschloss, das Geld selbst zu verdienen. Sie verbrachte ein paar Samstage als Wasserträgerin und erhielt dafür ein kleines Entgelt. Sie sparte jeden Cent. „Ich sammelte das nötige Geld und bezahlte es selbst“, sagt Noelline stolz. „So kann ich wieder zur Schule gehen.“

„Kinder haben oft die Schule ABGEBROCHEN. ABER JETZT NICHT MEHR.“ - ADA, JUNIOR LEADER

Noellines Lehrer Antoine, der von Right To Play geschult wurde, bemerkte, dass die Kinder motivierter sind und die Zahl der Schulabbrecher zurückging. Lehrreiche Lieder und Spiele motivierten Noelline, mit ihren Mitschüler:innen gleichzuziehen und von ihrer Zukunft zu träumen. „Ich möchte Lehrerin werden“, sagt sie.

„ohne Schulbildung werde ich keinE BESSERE ZUKUNFT HABEN.“ - NOELLINE, 14

Noelline ist stolz darauf, wieder in die Schule zu gehen. Aber sie weiß, dass in einer gleichberechtigteren Welt alle Eltern genug Geld hätten, um sowohl ihre Söhne als auch ihre Töchter zur Schule zu schicken. Sie spielt ihre Rolle - im wahrsten Sinne des Wortes - um diese Welt Wirklichkeit werden zu lassen. Noelline ist jetzt Junior Leader im Mädchenclub und hilft Kindern, sich wieder einzuschreiben und ihr Recht auf Bildung einzufordern. „Wenn ich Sketche aufführe, weiß ich, dass Kinder wieder in die Schule kommen und dass es wichtig für ihre Zukunft ist."

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Noelline ist Junior Leader im Mädchenclub, der sie inspiriert hat. Sie führt Sketche auf, die den Eltern helfen, den Wert der Bildung von Mädchen zu verstehen.

Wenn sie nicht auftritt, bringt Noelline Mädchen bei, wie man Menstruationsbinden herstellt, damit sie auch während ihrer Periode in der Schule bleiben können. Und sie ermutigt die Eltern, mehr auf die Probleme ihrer Töchter einzugehen. Vorbilder wie Noelline sind der Grund dafür, dass 75 % der Mädchen in ihrer Klasse heute das Gefühl haben, selbst über ihre Bildung entscheiden zu können - zu Beginn des Programms waren es 0 %. Mit Freunden wie Ada und Cynthia wird Noelline die Hoffnung nicht wieder verlieren. „Ich bin überzeugt, dass das, was ich im Unterricht und im Club lerne, mir helfen wird, mein Ziel zu erreichen.“