Ein junges Mädchen trägt in dem staubigen Hof vor ihrem Haus einer kleinen Gruppe von Familienmitgliedern und Freunden mit selbstbewusster Stimme ihr Gedicht vor. Delice, 13 Jahre alt, hat mit diesem Gedicht den ersten Platz in einem Schreibwettbewerb gewonnen, der von einem Right to Play Leseclub veranstaltet wurde.

„Lasst uns die Grauhals-Kronenkraniche schützen, da sie sehr wichtig für Ruanda sind. Wir müssen sie schützen und achten. Viele Besucher kommen nur wegen ihnen in unser Land und Ruanda entwickelt sich dadurch. Entwickle dich weiter Ruanda und bewahre deine Wunder“, liest Delice vor.

Delice hat sich nicht immer getraut, ihre Texte mit anderen zu teilen. Als sie vor knapp zwei Jahren begann, den Club zu besuchen, hätte sie sich nicht vorstellen können, überhaupt etwas laut vorzulesen, geschweige denn etwas von ihr Geschaffenes. Aber mit der Unterstützung von Freiwilligen, die von Right To Play geschult wurden, ist es für Delice nun möglich, ihrer Kreativität Ausdruck zu verleihen.

Lernen Hindernisse zu überwinden

Delice ist eines von mehr als 11 Millionen Mädchen weltweit, die aufgrund der Covid-19-Pandemie gefährdet sind, die Schule dauerhaft abzubrechen. Schon vor den pandemiebedingten Schulschließungen in ganz Ruanda mussten sich Mädchen erheblichen Hindernissen beim Zugang zu Bildung entgegenstellen. Durch das traditionelle Rollenbild der Frau sind ihre Möglichkeiten oft eingeschränkt. Seit mehreren Jahren arbeitet Right To Play mit einer lokalen Organisation namens UMUHUZA zusammen, um es allen Kindern zu ermöglichen, grundlegende Lese- und Schreibfähigkeiten zu erlernen. Im März 2020 gründete sie in Delices Gemeinde einen Leseclub und eine Bibliothek voll mit Büchern, welche die Kinder ausleihen konnten. Doch nur wenige Wochen nach der Eröffnung musste der Club aufgrund der landesweiten Covid-19-Maßnahmen schließen.

„Zu Beginn der Pandemie war es schwer für mich, weil ich nichts mehr Lernen konnte und deshalb die Schule abbrechen musste.“ - Delice, 13

Aufgrund der Schließung von Schulen und Gemeinschaftsräumen wurde es für Mädchen wie Delice noch schwieriger, weiter zu lernen. Kein Zugang zu Lernmaterialien und die fehlende Unterstützung zuhause, machten selbstständiges Lernen oft unmöglich. Selbst nachdem der Lockdown allmählich aufgehoben wurde, behielten die Eltern aus Furcht vor dem Virus und wegen mangelndem Verständnis über Hygienemaßnahmen ihre Kinder weiterhin zuhause – so auch die Eltern von Delice.

Doch Malik, der von Right To Play ausgebildete Leiter des Leseclubs, wusste, dass dieser unbedingt wieder geöffnet werden musste. Er arbeitete mit anderen Freiwilligen zusammen und führte das Tragen von Masken und das Händewaschen als Hygienemaßnahmen ein. Außerdem plante er Veranstaltungen im Freien, bei denen man gut Abstand halten konnte. Er wendete sich an die Eltern. Er erklärte ihnen die Hygienemaßnahmen und machte ihnen klar, wie wichtig es für ihre Kinder ist, wieder etwas zu lernen. Nach und nach kamen Kinder zurück in den Club. Auch Delice war unter ihnen.

„Ich habe mich gefreut, meine Freunde wieder zu treffen und zusammen mit ihnen zu lesen – denn das hilft sehr“, so Delice.

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Delice und ihre Freunde lesen abwechselnd laut vor und helfen sich gegenseitig bei der Aussprache unbekannter Wörter.

Wie Kinder ihr Selbstvertrauen stärken

In den wöchentlichen Club-Sitzungen singen Delice und ihre Freunde Lieder, tanzen und spielen Spiele, die ihr Leseverständnis fördern.

Sie leihen sich Bücher aus der Bibliothek aus und üben Lesen auch zu Hause. Während sich ihre Sprachkompetenz kontinuierlich verbessert, fordern die Freiwilligen sie auf, eigene Geschichten zu schreiben. Als Delice wieder an den Sitzungen teilnahm, konnte sie kaum lesen. Aber mit Übung und Ausdauer wurde sie selbstbewusster und wagte sich an schwerere Bücher heran. Sie fing an, mit ihren eigenen Geschichten und Gedichten zu experimentieren und sie mit ihren Freunden zu teilen.

„Was ich am Lesen liebe, ist, dass ich von den Geschichten, die wir in Büchern lesen, etwas lerne, was uns mit verschiedenen Dingen hilft, von denen wir vorher nichts wussten. Am Anfang konnte ich nur sehr schlecht lesen, aber jetzt kann ich alles lesen“, sagt Delice.

Im Sommer 2021 veranstaltete der Leseclub einen Schreibwettbewerb. Delice schrieb ein Gedicht, das zu Umweltschutz aufruft. Mit ihrem Gedicht „Lasst uns den Grauhals-Kronenkranich schützen” belegte sie den ersten Platz.

Delice Poem translated - Rwanda
Das Gedicht von Delice wurde ursprünglich auf Ruandisch geschrieben.

„Ich schrieb über die Bedeutung des Grauhals-Kronenkranichs für Ruanda. Ich war überglücklich, als ich erfuhr, dass ich die Gewinnerin des Wettbewerbs war. So beschloss ich, meinen Freunden beim Lernen zu helfen, damit sie eines Tages auch gewinnen können“, so Delice.

Wie Kinder ihre Leidenschaft in ihren Communities teilen

Seit Delice den Wettbewerb gewonnen hat, will sie ihre Liebe zum Lesen mit so vielen Kindern wie möglich teilen.

„Alles, was ich bei Delice sehe, ist ihre Leidenschaft für das Lesen. Sie hilft sogar den anderen Kindern", sagt Malik. „Sie hilft uns allen damit, weil sie so ihre Mitschüler daran erinnert, in den Club zu kommen. Delice trägt enorm zur Mobilisierung des Programms bei."

Delice hat auch eine Führungsrolle im Club übernommen, indem sie den jüngeren Kindern bei ihren Leseübungen hilft und Spiele und Lerneinheiten leitet. Und natürlich findet sie immer noch Zeit, alles zu lesen, was sie in die Hände bekommt.

,,Am Anfang konnte ich nur sehr schlecht lesen, aber jetzt kann ich alles lesen.“