Ein junges Mädchen namens Dria sitzt in einem Klassenzimmer im Westjordanland. Sorgfältig klebt sie ausgewählte Knöpfe an die Außenseite einer Socke. Aus zwei Knöpfen werden Augen, ein Knopf wird zu einer Nase, und etwas Garn zu einem Büschel Haar. Ihr fertiges Kunstwerk: eine Puppe. Mit ihrer Puppe steht Dria auf einer Bühne in einem Raum voller Kinder und führt mit ihr einen selbstgeschriebenen Sketch auf. Nach einem langen, schwierigen Jahr voller Schulschließungen, der Angst vor COVID-19 und ständig aufkeimenden Konflikten in der Region schaffen diese Puppenspiele den dringend benötigten Raum für Kinder, um über ihre Ängste und Sorgen zu sprechen und ihre Gefühle auf spielerische Weise auszudrücken.

„Ich bin sehr stolz auf die Puppe, die ich gebastelt habe. Sie ist meine beste Freundin. Immer wenn ich traurig bin, spreche ich mit ihr und ich habe sie all meinen Freund:innen und Verwandten gezeigt.”

Die Aufführungen sind Teil von "Small Hands, Big Dreams", einem Sommercamp, das einen sicheren Ort für palästinensische Kinder schaffen soll. Sie erhalten dort psychosoziale Unterstützung und können an Aktivitäten teilnehmen, die ihr Selbstvertrauen und ihre Kreativität fördern. Das Camp fand vom 19. Juni bis 9. Juli 2021 statt und wurde in Zusammenarbeit mit dem UNRWA organisiert. Es bot mehr als 350 Kindern aus dem Westjordanland und 519 Kindern aus dem Gazastreifen die Möglichkeit, während ihrer Sommerferien an Aktivitäten teilzunehmen.

Psychisches Leid in Gaza durch Spiele überwinden

Viele palästinensische Kinder leiden unter der ständigen Bedrohung durch Gewalt und Konflikte. Eine Studie des Norwegischen Flüchtlingsrats aus dem Jahr 2019 ergab, dass 68 % der Kinder im Schulalter in Gaza an psychischen Problemen leiden. In Kombination mit gesellschaftlichen Erwartungen an Geschlechterrollen, Stress durch eine globale Pandemie und den erneuten politischen Spannungen entsteht ein dringender Bedarf an Unterstützung.

Mutasem, ein achtjähriger Junge, hat an dem einwöchigen Sommercamp teilgenommen. Er sagt über diese angespannte Situation: „Das Leben der Menschen war durch die COVID-19-bedingte Quarantäne beeinträchtigt und dann kam der Krieg. Sie hatten keine Möglichkeit, psychischen Stress abzubauen." Für Kinder wie Mutasem war das Camp ein sicherer Ort, an dem sie Gefühle verarbeiten konnten und gelernt haben, Anspannung abzubauen.

„Wir haben gelernt, wie wir unsere negative Energie in positive Energie umwandeln. Bei psychosozialen Aktivitäten konnten wir viel von unserem Stress abbauen.“ - Salma, Camp-Teilnehmerin, 9

Jeden Tag nahmen Kinder aus gefährdeten Gebieten im Gazastreifen an verschiedenen Angeboten darunter bildende Kunst, Rollenspiele mit Puppen oder speziell entwickelte Spiele zur psychosozialen Unterstützung teil. Diese Aktivitäten halfen ihnen, ihre Gefühle und Emotionen auszudrücken und zu kontrollieren, damit sie besser mit den ständigen Herausforderungen umgehen können.

Salma, ein neunjähriges Mädchen, erzählte, wie diese Aktivitäten ihr und ihren Freund:innen geholfen haben: „Wir haben gelernt, wie wir unsere negative Energie in positive Energie umwandeln können."

Right To Play Field Facilitator, Hany Alluh, ist der Meinung, dass diese Camps eine wichtige Rolle für Jungen und Mädchen beim gleichberechtigten Zugang zu psychosozialer Unterstützung spielen. Eine sichere, integrative Umgebung hilft den Kindern, Selbstvertrauen und Widerstandsfähigkeit aufzubauen, um sich zu entfalten und ihre Träume zu verwirklichen.

„Wir arbeiten mit einem erfahrenen Team von Trainer:innen, Spezialist:innen und Coaches zusammen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen", sagt Hany. „Wir wollen ein positives und geschlechtergerechtes Umfeld schaffen. Männliche und weibliche Teilnehmer:innen sollen gleiche und faire Chancen in puncto Bildung haben und alle ihre Gefühle zeigen können."

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Right To Play-Programmbetreuer Khaled führt die Kinder durch ein Theaterstück mit Puppen, die sie hergestellt haben. Diese Aktivität hilft Kindern zu lernen, wie sie ihre Gefühle ausdrücken können.

Gesprächsanbahnung und Vertrauensbildung im Westjordanland

Im Westjordanland hatten die Kinder zusätzlich die Möglichkeit, an virtuellen Aktivitäten und Challenges teilzunehmen, die ihre Kreativität fördern, wie z. B. Geschichtenerzählen, Puppenspiele, Tanzen, Musik, Musikinstrumente oder Kuscheltiere basteln, die sie in den Arm nehmen können, wenn sie traurig sind. Jede Woche veröffentlichte Right To Play eine neue Aufgabe mit einer Anleitung zur Durchführung der Aktivität auf Facebook. Dort konnten die Kinder Bilder oder Videos von ihren Werken veröffentlichten, miteinander in Kontakt treten und zu Hause mit ihren Eltern spielen. Die Eltern lernten Möglichkeiten kennen, wie sie die psychische Gesundheit ihrer Kinder fördern können.

Eine Mutter berichtete, wie die virtuellen Aktivitäten ihre Familie näher zusammenbrachte, Gespräche über Gefühle anregten und ihr halfen zu erkennen, dass einer ihrer Söhne zusätzliche Unterstützung benötigte. Sie erzählte: "Ich habe vier Jungen. Durch das Sommercamp wurde mir klar, dass einer von ihnen nicht so aktiv war wie die anderen. Vor dem Camp hatte ich das nicht erkannt und wusste nicht, dass er Unterstützung benötigt. Während des gesamten Camps ermutigten sich meine Kinder gegenseitig, die Aufgaben zu lösen, und fertigten einige Skizzen für ihren Vater und mich an.”

Eine andere Mutter berichtete, wie sehr die virtuellen Spiele das Selbstvertrauen ihres Sohnes gestärkt haben: "Mein Sohn ist sehr schüchtern und hat Schwierigkeiten, sich und seine Gefühle auszudrücken. Daher hatte er anfangs große Probleme, ein Video von sich für die Challenges aufzunehmen. Aber nach der zweiten Woche des Sommercamps und nachdem er die Videos seiner Klassenkamerad:innen gesehen hatte, fasste er den Mut, sich selbst zu filmen. Danach konnte er es kaum erwarten, ein Video für die nächste Aufgabe aufzunehmen."


Das Sommercamp "Small Hands, Big Dreams" ist eine Initiative des TOGETHER-Projekts, das von der kanadischen Regierung über Global Affairs Canada finanziert wird. Das Projekt zielt darauf ab, Flüchtlingskindern, vor allem Mädchen Zugang zu Bildung zu gewähren und Lehrer:innen dabei zu unterstützen, wie sie ein sicheres, unterstützendes Lernumfeld für Kinder schaffen können. Auf spielerische Weise entwickeln Kinder wichtige Life-Skills, die Konfliktlösung, den sozialen Zusammenhalt und das psychosoziale Wohlbefinden in ihrem Alltag und in der Schule fördern.