Für eine Zukunft frei von Armut

Ein Klassenzimmer in Mali wird ganz leise, als eine junge Schülerin nach vorne kommt, um eine Präsentation zu halten. Balla, 12, arbeitete in den nahegelegenen Goldminen, bis ihr eine Lehrerin half, sie zu verlassen. Vor der Klasse stehend, spricht sie über die Gefahren der Minenarbeit, insbesondere für Kinder, und ermutigt ihre Mitschüler*Innen, für ihre Rechte einzustehen und sich gegen die Zwangsarbeit zu wehren.

Derzeit arbeiten in Mali zwischen 20 und 40 Tausend Kinder unter riskanten Bedingungen in Goldminen. Balla war eine von ihnen. „Wildkatzenminen“, manchmal auch „handwerkliche“ Minen genannt, werden von Gemeindemitgliedern von Hand gegraben und gehören zu den tödlichsten und gefährlichsten Minen überhaupt. Mädchen wie Balla sind oben in den schmalen Schächten stationiert, wo sie beim Hochziehen und Waschen der Erze helfen. Dabei sind sie Quecksilber und anderen gefährlichen Chemikalien ausgesetzt, mit denen die kleinen Mengen Gold vom umgebenden Gestein getrennt werden. Stürze, Vergiftung und Verletzungen, auch bedingt durch die anstrengenden Arbeitszeiten, sind einige der Risiken, mit denen Mädchen wie Balla jeden Tag konfrontiert sind.

"Als meine Mutter mich aus der Schule nahm, verletzte mich das sehr." - Balla

Angesichts der damit verbundenen Gefahren fragen sich einige vielleicht, was Eltern dazu bringen würde, ihr Kind diesen Arbeitsbedingungen auszusetzen. Die Antwort ist Armut. 45% der Bevölkerung Malis leben in extremer Armut und Haushalte, die von Frauen geführt werden, sind besonders häufig von Armut betroffen. 66% der Bevölkerung und 78% der Frauen können nicht lesen, was sie ihre beruflichen Möglichkeiten auf harte körperliche Arbeit wie Pachtwirtschaft, Hausarbeit und Bergbau beschränkt – die allesamt schlecht bezahlt werden und die ganze Familie zur Arbeit zwingen, um zu überleben. Mehr als die Hälfte aller Kinder in Mali ist von Kinderarbeit betroffen und jedes dritte Kind in Mali arbeitet, anstatt zur Schule zu gehen.

Balla und ihre Familie standen genau vor diesem Problem. Balla, ihre Mutter und ihre ältere Schwester lebten alle vom Pachterwerb ihres Vaters, bis er starb und ihre Mutter verzweifelt und mit finanziellen Sorgen hinterließ, um ihre Kinder zu ernähren. Sie ging in die Minen und nahm ihre Töchter aus der Schule, um sie bei der Arbeit zu unterstützen. Damals war Balla gerade acht Jahre alt. Balla hasste es, die Schule verlassen zu müssen, um in den Minen zu arbeiten. „Als meine Mutter mich aus der Schule nahm, verletzte mich das sehr“, erinnert sie sich.

Ballas Mutter verbrachte viele Stunden und Tage damit, Steine ​​zu schlagen und sie in Packtaschen zu laden, die sie Balla und ihrer Schwester zum Waschen und zur Goldprüfung hochreichte. Sogar ein paar Körner würden der Familie helfen, eine weitere Woche zu überleben.

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Balla half ihrer Mutter in einer traditionellen Handschürfungs-Goldmine, als sie erst acht Jahre alt war.

BILDUNG STATT KINDERARBEIT

Bildung ist der Schlüssel, um diesen Kreislauf der Armut zu durchbrechen. Bei der niedrigen Alphabetisierungsrate in der Allgemeinbevölkerung eröffnet bereits der Abschluss der Grundschule für Mädchen wie Balla Chancen auf eine spätere Erwerbstätigkeit und gesellschaftliche Teilhabe. Aber um den Abschluss zu schaffen, müssen sie erst einmal weg von der Kinderarbeit und zurück in die Schule.

Als Balla die Schule abbrach, erfuhr eine von Right To Play ausgebildete Lehrerin namens Sarata, von ihrer Situation. Sarata und andere Lehrpersonen sowie lokale Freiwillige, wurden dafür geschult, im Rahmen eines Right To Play-Programms namens „Jam Suka“, Kinder zu identifizieren, die wegen Kinderarbeit aus der Schule genommen wurden. Seit 2016 hat Jam Suka in drei Regionen Malis den Schutz und das Wohlergehen von mehr als 72‘000 gefährdeten Kindern verbessert, viele von ihnen in Situationen wie der von Balla. Gemeinsam mit Filifing, einem freiwilligen Helfer des Kinderschutzkomitees, versuchte Sarata mit Ballas Mutter über ihre Rückkehr zur Schule zu verhandeln - zunächst noch erfolglos, weil Ballas Mutter ihre Hilfe in den Minen brauchte.

„WENN BALLA NICHT SO ENDEN MÖCHTE, WIE DIE ANDEREN MÄDCHEN, DIE IN DEN MINEN VERÜNGLÜCKT SIND, SOLLTE SIE WIEDER ZUR SCHULE GEBRACHT WERDEN.“ – FILIFING, FREIWILLIGER DES KINDERSCHUTZKOMITEES

Als das neue Schuljahr begann, trug eine große Offensive von Sarata, Filifing und anderen von Right To Play ausgebildeten Trainern, Lehrern und Freiwilligen im Rahmen der Kinderschutzbemühungen von Jam Suka, Früchte. Das Programm half dabei, die Kapazitäten der lokalen Gemeinschaften zum Schutz von Kindern aufzubauen, indem Freiwillige und Lehrer wie Sarata und Filifing geschult wurden, gefährdete Kinder schnell zu erkennen und mit lokalen Institutionen zusammenzuarbeiten, um auf die Situationen zu reagieren.

Sarata und Filifing verbrachten den Sommer damit, einen Elternverein zu organisieren und ihn mit der örtlichen Schulbehörde und dem ehrenamtlichen Kinderschutzkomitee zusammenzubringen, in dem Filifing volontierte. Statt individuell auf die Eltern zuzugehen, beriefen Lehrer, Schulvorstand, Elternverein und Kinderschutzkomitee gemeinsam eine Dorfversammlung ein. Sie betonten die Bedeutung von Bildung, insbesondere für Mädchen, forderten den Gemeinderat, der die Mine leitete, auf, Kinderarbeiter nicht mehr zuzulassen und baten Eltern, deren Kinder in den Minen arbeiteten, sie wieder zur Schule zu schicken.

Beim Gemeindetreffen sagte Filifing zu Ballas Mutter: "Wenn Balla nicht wie die anderen Mädchen enden will, die in den Minen verunglückt sind, sollte sie wieder zur Schule gebracht werden."

Dieser größere, gemeinschaftsweite Aufruf zum Wandel veranlasste Ballas Mutter, endlich nachzugeben und ihre Tochter wieder zur Schule gehen zu lassen. Die Vorstellung, dass ihre Tochter etwas Größeres als den Bergbau erreichen könnte, begeisterte sie. Mit großer Freude kehrte Balla im Herbst, ein Jahr nach ihrem Schulabbruch, zur Schule zurück.

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Balla hat es geschafft: Sie konnte die gefährlichen Minen verlassen und in die Schule zurückkehren.

WIEDEREINGLIEDERUNG IN DIE SCHULE

Die Rückkehr in die Schule nach längerer Abwesenheit ist immer eine Herausforderung. Ohne die richtige Unterstützung haben Kinder wie Bella Mühe, mit den Mitschülern wieder Schritt zu halten. Von Right To Play ausgebildete Lehrer in Gemeinden wie der von Balla verwenden spielbasierte Methoden, um Mädchen und Jungen, die in Kinderarbeit waren, zu ermöglichen, in der Schule wieder Fuß zu fassen und wichtige Inhalte schnell aufzunehmen.

Mit pädagogischen Spielen und Aktivitäten fördern sie die Entwicklung von Fähigkeiten, die die Grundlage für den schulischen Erfolg bilden und motivieren die Kinder dazu, in der Schule zu bleiben. Dabei spielen Lehrerinnen eine besonders wichtige Rolle, da sie den Mädchen zeigen, welche Möglichkeiten Bildung bieten kann.

„WENN EIN MÄDCHEN ZUR SCHULE GEHT, KANN SIE MINISTERIN ODER PRÄSIDENTIN WERDEN.“ – BALLA

Mit der richtigen Unterstützung stieg Balla direkt wieder ins Lernen ein und wurde eine fleißige Schülerin. Sie trat auch dem örtlichen Child-Rights-Club bei, den Right To Play an ihrer Schule gegründet hat. Der Club half ihr, ihre Rechte zu verstehen und brach mit Stereotypen über Mädchen und Frauen. Der Club bot ihr auch emotionale Unterstützung, als ihre Mutter starb und ihre ältere Schwester sorgeberechtigt wurde. Ballas Schwester verpflichtete sich, Balla weiterhin zu unterstützen und ihr zu helfen, den Schulalltag zu meistern.

Heute, Jahre nach der Arbeit in den Minen, ist Balla von ihrem Potenzial und den Möglichkeiten nach dem Abschluss begeistert. Sie zeichnet sich besonders in Französisch und Mathematik aus, unterstützt durch die aktiven, erfahrungsorientierten Methoden, die ihre Lehrer in ihrem Unterricht anwenden. Sie überlegt, ob sie für die Regierung arbeiten oder Medizin studieren möchte, um Ärztin zu werden. „Wenn eine Frau studiert, kann sie Ministerin oder Präsidentin werden“, sagt Balla.

Sie interessiert sich auch dafür, anderen Kindern zu helfen, die von Kinderarbeit bedroht sind. Der Kinderclub ermutigt sie, in der Schule Präsentationen über ihre Erfahrungen zu halten, in denen sie Kindern über die Gefahren der Goldminen aufklärt und sie auf ihr Recht hinweist, nicht zu der Arbeit dort gezwungen werden zu können. Balla will eine Zukunft, in der sich kein Kind in den Minen in Gefahr begeben muss, wie sie es selbst einmal erlebt hat.

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Balla ist seit ihrer Rückkehr in die Schule hochmotiviert und lernt fleißig. Sie möchte nach ihrem Abschluss Ärztin oder Beamte werden.


Das Jam Suka-Programm, das Balla und Tausenden anderen Kindern half, ihre Rechte zu verteidigen, wurde dank der finanziellen Unterstützung der kanadischen Regierung durch Global Affairs Canada ermöglicht. Jam Suka war von 2016 bis 2020 in drei Regionen Malis aktiv und hat sich für den Schutz von Kindern vor Kinderarbeit, weiblicher Genitalverstümmelung, Kinderheirat und Bettelei eingesetzt.