Pakistan: Amna stärkt Mädchen durch Sport
Amna, 24, betritt den Konferenzraum in einem Hotel in Islamabad, Pakistan. Es ist der letzte Tag des Leadership-Camps „Young Female Leaders in Sport“ von Right To Play und Amna möchte etwas verkünden.
„Ich habe eine Cricket-Akademie gegründet“, sagt sie zu den 25 sportbegeisterten Teilnehmer:innen im Raum. „Wer Interesse hat, mitzumachen – ich biete kostenloses Coaching an.“
Amnas Liebe zum Cricket ist dem Team von Right To Play längst bekannt. Bereits 2016, damals noch 16 Jahre alt, nahm sie an einem Schulprogramm von Right To Play teil, übte in ihrer Freizeit Schlagtechniken – und sprach schüchtern von ihrem großen Traum, eines Tages die Kapitänin des pakistanischen Frauennationalteams, Sana Mir, kennenzulernen.
Acht Jahre später hat Amna nicht nur das geschafft – sie spielt in einem städtischen Cricket Club und stand sogar schon ihrer Heldin Sana auf dem Spielfeld gegenüber. Doch ihre größte Leidenschaft gilt der Leitung ihrer eigenen Aaka, die durch spielbasiertes Lernen Mädchen einen sicheren Raum zum Spielen bietet.
Amnas Weg zur Führungspersönlichkeit im Sport war alles andere als einfach. Sie hat zahlreiche Herausforderungen überwunden, um ihren Platz auf dem Cricketfeld zu finden. Das macht sie heute entschlossener denn je: Sie will das Spielfeld für Pakistans Sportlerinnen ebnen!

CRICKET FÜR GESCHLECHTERGERECHTIGKEIT
Amna spielte in der 9. Klasse zum ersten Mal Cricket auf dem Schulhof. Als sie den Lederball zurückschlug, spürte Amna ihre Kraft – und entdeckte ihre neue Leidenschaft.
Aber sie konnte keinen Ort finden, um zu trainieren.
Amna wuchs in Lyari auf. Viele alltägliche Aktivitäten, wie alleine ausgehen oder Sport in der Öffentlichkeit, gelten als unangemessen für Frauen und Mädchen.
Amnas Vater wollte seiner Tochter nicht erlauben, an einem gemischten Training teilzunehmen, aus Sorge, es könnte ihre Heiratschancen beeinträchtigen. Schließlich gab er nach, bewegt von Amnas Begeisterung für den Sport. Amna durfte am Training teilnehmen – unter der Bedingung einer Anstandsbegleitung vor Ort.
Amna fuhr mit ihrer Mutter zum Cricketfeld und zurück, ihr Schläger sicher unter mehreren Kleidungsschichten versteckt. „Unsere Cricket-Ausrüstung in unserer Nachbarschaft offen zu tragen, war unmöglich“, erklärt Amna. „Sonst wären wir zur Zielscheibe für Bedrohungen geworden.“
EIN COACH ALS Mentorin
Kurz nachdem Amna mit Cricket begonnen hatte, startete an ihrer Schule das GOAL-Programm von Right To Play.
Während des Programms half die von Right To Play ausgebildete Trainerin Jamal, Amna und ihren Mitschülerinnen mit Sport und Spielen dabei, Selbstvertrauen und Führungsfähigkeiten zu entwickeln. Auch Menstruationshygiene und finanzielle Bildung waren Teil ihrer Ausbildung.
Jamal wurde zu einem wichtigen Rückhalt für Amna. Sie half Amna dabei, ihre Leidenschaft für Cricket am Leben zu erhalten, als Kritik von Freunden sie fast dazu brachte, aufzugeben.
„Anstatt mir beizustehen, sagten meine Freunde Dinge wie: ‚Du bist doch nur ein Mädchen, du kannst kein Cricket spielen‘“, sagt Amna. „Aber meine Trainerin stand die ganze Zeit hinter mir. Sie hat mich immer wieder motiviert und mir gesagt, dass ich Potenzial habe.“

IHR RECHT AUF SPORT
Mit Jamals Ermutigung trainierte Amna weiter. Doch häusliche Verpflichtungen nahmen Amnas Mutter immer mehr in Anspruch. Schließlich verlor Amna ihre Anstandsbegleitung.
Aber sie verlor nicht ihren Antrieb. Amna war fest entschlossen, weiterzuspielen, obwohl sie wusste, dass ihr Vater sie ohne ihre Mutter nicht zum Training gehen lassen würde.
Amna kam auf die Idee, ihre jüngere Schwester Khizra als Begleitperson mitzunehmen – besser, als alleine zu gehen. Ohne Wissen ihrer Eltern fuhren die beiden Mädchen nervös zur Cricket-Akademie.
Khizra liebte es, zuzusehen, wie Amna im Training die Bälle mit eleganten Bögen über das Feld schlug. Schon bald spielte sie selbst mit. Als Amnas Vater herausfand, dass seine Töchter heimlich Cricket spielten, nahm er sie aus der Akademie. Ihre Träume zerplatzten.
IHR RECHT AUF SPIEL
Tiefschläge, die andere vielleicht vom Sport abgehalten hätten, konnten Amna nicht stoppen. Die Kommunikationsfähigkeit, die sie im GOAL-Programm erworben hatte, gab ihr das Selbstvertrauen, ihren Eltern gegenüberzutreten und für ihr Recht auf Sport einzutreten.
Jamal unterstützte sie dabei. Sie besuchte Amnas Eltern und sprach darüber, wie wichtig es für Amna sei, die gleiche Chance zu bekommen wie Jungen: Sport zu treiben und von den damit verbundenen Life-Skills zu profitieren. Das Verständnis von Amnas Eltern wuchs und führte zu einer besseren Beziehung mit ihrer Tochter.
„Ich habe gelernt, das Vertrauen meines Vaters zu gewinnen und ihn davon überzeugt, meine Ziele zu unterstützen“, sagt Amna. „Right To Play hat mich mit den Kompetenzen ausgestattet, um meine Träume zu verwirklichen.“
Amna und Khizra schrieben sich wieder in der Cricket-Akademie ein. „Jetzt ist mein Vater stolz“, sagt Amna.

SPORT FÜR ENTWICKLUNG
Jamal war für Amna da, als sie ihren Traum verfolgte. In einem Land, das noch immer für Frauenrechte kämpft, wusste Amna, dass sie diese Unterstützung an jüngere Mädchen weitergeben musste – an jene, die nicht länger am Spielfeldrand stehen wollen, sondern die Kraft des Spiels selbst erleben möchten.
Amna nutzte die Führungs- und Finanzkompetenzen, die sie mit Right To Play erlernte, um 2018 ihre eigene Cricket-Akademie zu gründen. Sie ist eine der wenigen Akademien in Karatschi, die Training für Kinder unter 10 Jahren anbietet.
Amnas Kurse sind kostenlos, damit auch Kinder in Armut die Chance haben, teilzunehmen. Sie organisiert Spendenaktionen, um die Akademie am Leben zu halten und mit ihr die Träume der jungen Spieler:innen. Heute hat sie über 200 eingeschriebene Mitglieder aller Altersgruppen - die Hälfte davon Mädchen.
Als Amna bemerkte, dass Mädchen beim Training oft am Spielfeldrand blieben, führte sie Spiele ein, die Führungsqualitäten und das Gemeinschaftsgefühl stärken. Seitdem konnte sie Schüler:innen wie Eisha beobachten, wie sie auf dem Platz über sich hinauswachsen.
„ICH HATTE TRÄUME, ABER KEINE RICHTUNG – BIS RIGHT TO PLAY IN MEIN LEBEN KAM.“ – AMNA, RIGHT TO PLAY ALUMNA
„Ich habe gesehen, wie Amna ihre Energie weitergibt und anderen Mädchen Selbstvertrauen schenkt“, sagt Eisha, 19. „Solche Initiativen sind in Pakistan sehr selten – aber wir müssen weiterhin Chancen schaffen, um Mädchen nachhaltig zu stärken.“
Auch die Teilnehmerinnen des Leadership-Camps „Young Female Leaders in Sport“ sehen das so. Einige von ihnen mussten Zwangsheirat, Diskriminierung und Belästigung trotzen, um ihrem sportlichen Weg zu folgen. Durch das Führungstraining von Right To Play bringen sie ihre Leidenschaft auf ein nächstes Level: Sie entwickeln sich zu Trainerinnen, Lehrerinnen und Unternehmerinnen, die sich für Chancengleichheit von Mädchen und Jungen starkmachen – im Sport und im Leben.
